Eine Zwölfjährige wird in der Straßenbahn ohne gültiges Ticket ertappt. Der Nahverkehr Schwerin (NVS) fordert von den Eltern des Mädchens deshalb das erhöhte Beförderungsentgelt.
Am 17. Oktober fährt Kim wie jeden Morgen mit der Linie 1 zur Schule. Als Fahrscheinkontrolleure der Firma GSD in die Straßenbahn steigen, hat sie ein ruhiges Gewissen. Sie hat eine Monatskarte für Schüler. Doch ein Tausch der Jacke machte sie an diesem Morgen zur Schwarzfahrerin, denn der Fahrausweis und der Schülerausweis waren in der Jacke zu Hause am Hacken geblieben! Für die Kontrolleure ist Kim in dem Moment ein Schwarzfahrer. Schwarzfahren kostet 40 Euro.
Wir haben unseren Kindern selbstverständlich beigebracht, dass Schwarzfahren nicht in Ordnung ist und dass sie das selbst auch nicht tun dürfen! Trotzdem sehen wir als Eltern von Kim keinen Grund, im konkreten Fall eine Strafe zu bezahlen.
Daran ändert sich auch nichts, als der Nahverkehr Schwerin am 21. Oktober per Email mitteilt, „wir bestätigen die nachträgliche Vorlage der Monatskarte Ihrer Tochter Kim. Laut den Allgemeinen Beförderungsbedingungen § 9 Abs. 3. ermäßigt sich das erhöhte Beförderungsentgelt daraufhin auf 7,00 €“.
Ist dies zu akzeptierten? Es geht in dieser Auseinandersetzung mit dem städtischen Nahverkehr Schwerin ums Prinzip, wir verhalten uns in diesem Fall absolut rechtstreu; der Nahverkehr Schwerin tut das nicht!
Die Eltern selbst sind zum Schadensersatz jedenfalls dann nicht verpflichtet, wenn sie ihrer Aufsichtspflicht entsprochen haben, § 832 , § 823 BGB i.V.m. § 265a StGB. Vertraglich haften sie ebenso wenig wie die Kinder und Jugendlichen.
Rechtliche Situation bei Kindern und Jugendlichen
Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren können, da sie nicht oder nur beschränkt geschäftsfähig sind, im Fall des Schwarzfahrens nicht vom Verkehrsunternehmen zu Zahlung des erhöhten Beförderungsgeldes gezwungen werden, soweit das Beförderungsverhältnis zivilrechtlicher Natur ist. Kinder unter 7 Jahren können einen entgeltlichen Beförderungsvertrag nicht (§ 104, § 105 BGB), Jugendliche im Alter zwischen 7 und 18 Jahren nicht wirksam ohne Zustimmung der Eltern (§ 106 , § 107 BGB) abschließen. Ist die Fahrt nicht bereits von einer (auch konkludenten) Einwilligung gedeckt (z. B. wenn der Weg zur Schule regelmäßig mit Bus oder Bahn erfolgt – was aber nur bei Fahrten mit gültigem Fahrschein anzunehmen ist) und erfolgt keine nachträgliche Genehmigung, so ist ein Vertrag, auf den sich das Beförderungsunternehmen berufen könnte, wegen § 108 BGB nicht wirksam zustande gekommen.
Links: http://www.jura.uni-koeln.de/uploads/media/Eis_statt_Ticket.pdf
- AG Hamburg: Urt. v. 24.04.1986 – 22b C 708/85 (NJW 1987, 448 )
- AG Bergheim: Urt. v. 15.10.1998 – 23 C 166/98 (NJW-RR 2000, 202 -204)
- AG Jena: Urt. v. 05.07.2001 – 22 C 21/01 (NJW-RR 2001, 1469 )
- AG Güstrow (Az.: 60 C 766/06 vom 16.11.06)